Die CNC-Technik (Computerized Numerical Control) ist der technologische Standard, der die industrielle Produktion in den letzten 50 Jahren revolutioniert hat. Sie bezeichnet den Einsatz von computergestützten Steuerungen zur Regelung und Überwachung von Werkzeugmaschinen. Ohne CNC-Technik wäre die moderne Welt, von der Automobilindustrie über die Luftfahrt bis hin zur Medizintechnik, in ihrer heutigen Form und Präzision nicht denkbar.
Während früher Dreher und Fräser die Handräder einer Maschine manuell bedienten, um ein Werkstück zu formen, übernimmt bei der CNC-Technik ein leistungsfähiger Mikrocomputer diese Aufgabe. Er übersetzt digitale Konstruktionsdaten in präzise mechanische Bewegungen. Dies ermöglicht nicht nur eine Wiederholgenauigkeit im Mikrometerbereich, sondern auch die Fertigung komplexer Geometrien, die manuell nicht herstellbar wären.
Das Wichtigste in Kürze
- Digitale Prozesskette: CNC ist das finale Glied einer durchgängigen digitalen Kette (CAD-CAM-CNC), bei der Konstruktionsdaten ohne Medienbruch in physische Bauteile umgewandelt werden.
- Regelkreis-Prinzip: Im Gegensatz zur einfachen Steuerung arbeitet CNC mit einem geschlossenen Regelkreis, bei dem Wegmesssysteme die Position des Werkzeugs permanent überwachen und Abweichungen in Echtzeit korrigieren.
- Technologieunabhängigkeit: Das CNC-Prinzip ist nicht auf Zerspanung beschränkt, sondern steuert universell verschiedenste Verfahren wie Laserschneiden, Wasserstrahlschneiden, Erodieren oder den 3D-Druck.
Vom Lochstreifen zum Hochleistungsrechner: Die Evolution
Die Ursprünge der CNC-Technik liegen in der NC-Technik (Numerical Control) der 1950er Jahre. Damals wurden Maschinen über Lochstreifen mit festen Koordinaten gefüttert. Mit der Einführung von Mikroprozessoren und Speicherbausteinen in den 1970er Jahren entwickelte sich daraus die CNC-Technik.
Das Kernprinzip blieb erhalten, wurde jedoch massiv erweitert: Die Maschine arbeitet ein Programm ab, das aus alphanumerischen Zeichen besteht. Der Standard hierfür ist bis heute die DIN 66025 (ISO 6983), oft als „G-Code“ bezeichnet. Moderne CNC-Steuerungen von Herstellern wie Siemens (Sinumerik), Heidenhain oder Fanuc bieten heute Rechenleistungen, die komplexe Bahninterpolation, 3D-Simulationen und parallele Prozessüberwachungen in Millisekunden ermöglichen.
Funktionsweise: Der geschlossene Regelkreis
Was unterscheidet eine CNC-Maschine technisch von einer konventionellen Maschine mit Anbaumotoren? Es ist das Wegmesssystem und der Regelkreis.
- Soll-Wert: Die Steuerung (CNC) liest den Programmcode (z. B. „Fahre auf Position X=100 mm“).
- Aktorik: Die Steuerung sendet elektrische Impulse an die Antriebsverstärker und Servomotoren der Achsen.
- Bewegung: Die Kugelgewindetriebe oder Linearmotoren setzen die Rotation in eine lineare Bewegung des Maschinentischs oder der Spindel um.
- Ist-Wert (Feedback): Ein hochpräzises Messsystem (z. B. Glasmaßstäbe oder Drehgeber) misst die tatsächliche Position.
- Korrektur: Die Steuerung vergleicht permanent Soll- und Ist-Wert. Wird eine Abweichung festgestellt (z. B. durch Schnittdruck oder thermische Ausdehnung), regelt der Motor sofort nach.
Die Prozesskette: CAD, CAM und Postprozessor
Ein CNC-Programm wird heute selten noch manuell an der Maschine getippt („Werkstattprogrammierung“). Bei komplexen Bauteilen ist dies ineffizient und fehleranfällig. Der Standard ist die CAD-CAM-Prozesskette:
- CAD (Computer Aided Design): Der Konstrukteur erstellt ein 3D-Modell des Bauteils.
- CAM (Computer Aided Manufacturing): Der Programmierer definiert am PC die Bearbeitungsstrategien (z. B. Schruppen, Schlichten, Bohren) und wählt Werkzeuge aus. Das CAM-System berechnet die Werkzeugbahnen.
- Postprozessor (PP): Dies ist der entscheidende Übersetzer. Da jede Maschine eine etwas andere „Sprache“ (Dialekt) spricht, übersetzt der Postprozessor die neutralen CAM-Bahnen in den spezifischen G-Code der jeweiligen Maschine (z. B. für eine Hermle mit Heidenhain-Steuerung).
- CNC: Der Code wird in die Maschine geladen und abgearbeitet.
Achsen und Kinematik: Von 3 bis 5 Achsen
Die Leistungsfähigkeit einer CNC-Maschine wird oft über die Anzahl ihrer gesteuerten Achsen definiert.
- 3-Achs-Bearbeitung: Der Standard. Das Werkzeug bewegt sich in X, Y und Z. Ideal für flache Bauteile oder einfache Bohrungen.
- 5-Achs-Bearbeitung: Hier kommen zwei Rotationsachsen (A, B oder C) hinzu. Der Tisch kann kippen und drehen, oder der Fräskopf schwenkt.
- 5-Achs-Simultan: Alle Achsen bewegen sich gleichzeitig. Dies ermöglicht die Herstellung von Freiformflächen wie Turbinenschaufeln.
- 5-Seiten-Bearbeitung (3+2): Das Bauteil wird geschwenkt und dann fixiert bearbeitet. Vorteil: Das Werkstück kann in einer Aufspannung von fünf Seiten bearbeitet werden, was die Präzision erhöht, da Umspannfehler entfallen.
Anwendungsgebiete: Mehr als nur Fräsen
Der Begriff CNC wird umgangssprachlich oft mit Zerspanung (Fräsen, Drehen) gleichgesetzt. Technisch beschreibt er jedoch nur die Art der Steuerung. CNC-Technik kommt in fast allen Fertigungsverfahren zum Einsatz:
- Zerspanung: Fräsmaschinen, Drehmaschinen, Schleifmaschinen.
- Blechbearbeitung: Laserschneidanlagen, Stanz-Nibbel-Maschinen, Abkantpressen.
- Abtragende Verfahren: Drahterodieren (EDM) und Senkerodieren für härteste Materialien.
- Spanlose Formgebung: Rohrbiegemaschinen.
- Additive Fertigung: Auch 3D-Drucker sind im Kern CNC-Maschinen, die G-Code verarbeiten, nur dass sie Material auftragen statt abtragen.
Wirtschaftliche Bedeutung
Die Investition in CNC-Technik ist hoch, die Stundensätze liegen deutlich über denen konventioneller Maschinen. Dennoch ist sie alternativlos. Die Gründe sind:
- Produktivität: CNC-Maschinen arbeiten deutlich schneller und können (mit Automatisierung) rund um die Uhr produzieren.
- Reproduzierbarkeit: Teil 1 und Teil 10.000 sind identisch. Diese Prozesssicherheit ist für ISO-zertifizierte Industrien (Automotive, Aerospace) zwingend.
- Komplexität: Viele moderne Produkte (z. B. Smartphone-Gehäuse, Implantate) sind aufgrund ihrer komplexen Geometrie manuell gar nicht herstellbar.
Fazit: Das Betriebssystem der Industrie
CNC-Technik ist eine ausgereifte, aber keineswegs veraltete Technologie. Im Gegenteil: Durch Industrie 4.0 erlebt sie einen neuen Innovationsschub. Moderne CNC-Steuerungen sind heute IoT-Gateways (Internet of Things), die Prozessdaten in die Cloud senden, Predictive Maintenance ermöglichen und sich selbstständig optimieren.
Für Fertigungsunternehmen ist das Verständnis der CNC-Technik – von der Mechanik bis zur Datenstruktur – die Basiskompetenz. Sie ist der Punkt, an dem der digitale Entwurf in die physische Realität überführt wird.
