In der modernen Zerspanung ist Zeit der kritischste Kostenfaktor. Der Druck, Bauteile schneller, präziser und kostengünstiger zu fertigen, hat zur Entwicklung neuer Fertigungsstrategien geführt, die weit über das konventionelle Fräsen hinausgehen. High Performance Cutting (HPC) hat sich als Standard für die wirtschaftliche Schruppbearbeitung etabliert.
Im Gegensatz zum High Speed Cutting (HSC), bei dem hohe Schnittgeschwindigkeiten und Oberflächengüten im Vordergrund stehen, zielt HPC primär auf das maximale Zeitspanvolumen (Q) ab. Es geht darum, möglichst viel Material in möglichst kurzer Zeit prozesssicher zu entfernen. Dies erfordert ein perfekt abgestimmtes tribologisches System aus Werkzeugmaschine, Spindel, Werkzeugaufnahme, Fräser und CAM-Strategie.
Das Wichtigste in Kürze
- Maximierung des Zeitspanvolumens: HPC-Strategien nutzen das volle Potenzial der Schneidenlänge durch hohe axiale Zustellung (ap) bei geringer radialer Zustellung (ae), um die Zerspanungsleistung zu vervielfachen.
- Trochoidales Fräsen: Dynamische Bahnstrategien halten den Umschlingungswinkel und die Mittenspandicke konstant, was die thermische Belastung des Werkzeugs reduziert und Standzeiten massiv erhöht.
- Werkzeug-Geometrie: Ungleichteilungen und variable Drallsteigungen sind essenziell, um regenerative Ratterschwingungen zu unterdrücken und hohe Schnitttiefen zu ermöglichen.
Abgrenzung: HPC vs. Konventionell
Beim konventionellen Fräsen wird oft mit geringen Schnitttiefen und vollem Eingriff (Nuten) gearbeitet. Dies führt zu einer enormen Belastung der Schneidecke und zu starken Temperaturschwankungen am Werkzeug.
HPC dreht diese Parameter um. Die Strategie setzt auf eine Nutzung der gesamten Schneidenlänge (oft 2xD oder 3xD), reduziert aber den seitlichen Eingriff auf 5 bis 15 Prozent des Fräserdurchmessers. Das Resultat:
- Geringere Radialkräfte: Die Belastung auf die Spindel sinkt, was die Bearbeitung auf weniger steifen Maschinen ermöglicht.
- Bessere Wärmeabfuhr: Da der Fräser bei jeder Umdrehung nur kurz im Material ist und lange in der Luft abkühlen kann, wird die Wärme größtenteils über den Span abgeführt. Das Werkstück bleibt kühler.
Die Rolle der CAM-Software: Dynamische Bahnplanung
HPC ist ohne leistungsfähige CAM-Systeme nicht denkbar. Manuelle Programmierung (G-Code) stößt hier an Grenzen, da die komplexen Bahnbewegungen nicht mehr händisch berechenbar sind.
Moderne CAM-Algorithmen (wie VoluMill oder iMachining) berechnen trochoidale Fräsbahnen. Dabei bewegt sich der Fräser nicht linear, sondern in spiralförmigen oder elliptischen Bahnen durch das Material. Das entscheidende Kriterium ist die Konstanz des Umschlingungswinkels. Das CAM-System passt den Vorschub dynamisch an: In Ecken, wo der Umschlingungswinkel bei linearer Fahrt ansteigen würde (was zu Werkzeugbruch führt), reduziert das System den Eingriff durch Schleifenbewegungen. Dies garantiert eine konstante Mittenspandicke (hm) und damit eine gleichmäßige Belastung der Schneide.
Werkzeugtechnologie: Substrate und Geometrien
Die physische Belastung im HPC-Prozess ist enorm. Standard-Fräser versagen hier schnell durch Schneidkantenbrüche oder Vibrationsprobleme. HPC-Werkzeuge zeichnen sich durch spezifische Merkmale aus:
Substrat und Beschichtung
Verwendet werden Ultra-Feinstkorn-Hartmetalle, die eine hohe Zähigkeit bei gleichzeitiger Härte bieten. Die Beschichtungen (oft auf Basis von AlTiN oder TiAlSiN) müssen extrem hitzebeständig sein (Oxidationsbeständigkeit bis über 1000 °C) und eine glatte Oberfläche bieten, um Aufbauschneiden zu verhindern.
Makro- und Mikrogeometrie
Um das gefürchtete „Rattern“ (selbsterregte Schwingungen) zu verhindern, besitzen HPC-Fräser eine Ungleichteilung der Schneiden und oft einen variablen Drallwinkel.
- Ungleichteilung: Der Winkelabstand zwischen den Schneiden variiert (z. B. 88° – 92° – 88° – 92° statt 4x 90°). Dies stört die harmonische Anregung des Systems und dämpft Vibrationen.
- Schneidkantepräparation: Die Schneidkanten sind nicht messerscharf, sondern definiert verrundet oder gefast, um die Stabilität zu erhöhen.
Anforderungen an die Maschinentechnik
HPC stellt hohe Anforderungen an die Maschinendynamik. Da bei trochoidalen Strategien extrem viele Richtungswechsel in kurzer Zeit erfolgen, sind hohe Beschleunigungswerte (Ruck) und eine leistungsfähige CNC-Steuerung (Look-Ahead-Funktion) notwendig.
Die Spindel benötigt weniger maximale Drehzahl (wie bei HSC), dafür aber ein hohes Drehmoment im unteren und mittleren Drehzahlbereich sowie eine hohe Steifigkeit der Lagerung, um die radialen Kräfte bei großen Schnitttiefen aufzunehmen.
Zukünftige Entwicklungen: Sensorik und Adaptivität
Der nächste Schritt im Hochleistungsfräsen ist die Integration von Intelligenz in das Werkzeug und den Halter.
- Sensorische Werkzeughalter: Diese messen während des Prozesses Vibrationen, Temperaturen und Auszugskräfte. Droht der Fräser aus dem Futter gezogen zu werden (ein typisches HPC-Risiko bei hohen Drallwinkeln), kann die Maschine den Vorschub automatisch reduzieren.
- Adaptive Control: Die Maschine regelt Schnittwerte nicht mehr nach starrem Programm, sondern basierend auf der realen Spindellast. Trifft der Fräser auf eine Materialverhärtung, wird der Prozess in Echtzeit angepasst.
Fazit: Produktivität durch Systemdenken
Hochleistungsfräsen ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. Es ermöglicht signifikante Reduktionen der Hauptzeiten. Der Erfolg hängt jedoch nicht vom Kauf eines teuren Fräsers ab, sondern von der Implementierung einer durchgängigen Prozesskette: Von der CAM-Strategie über die Maschinendynamik bis hin zur passenden Werkzeugaufnahme (z. B. Hydrodehn oder Schrumpffutter mit Auszugssicherung). Nur wenn alle Komponenten harmonieren, lassen sich die theoretischen Zeitspanvolumina in der Praxis realisieren.
